Antisemiten und Psychoanalyse
So wie Löwenstein nennt den Antisemitismus eine soziale Geisteskrankheit Simmel E spricht von einer „Massenpsychose“. Rolf Pohl greift dies vor alm im Anschluss an Simmel auf und setzt sich mit dem Verhältnis von individueller Pathologie und Kollektivem Wahn auseinander.
Antisemiten und ihr Verhalten
Durch die antisemitische Einstellung könnte man verstehen, dass es sich um eine psychische Krankheit handelt. Die Antisemiten sind nicht nur feindselig, sondern üben auch Gewalttaten auf eine brutale Art aus. Diese Feindseligkeit resultiert ursprünglich aus einer spezifischen, asozialen und persönlichen Angst. In weiterer Folge kann man die Antisemiten als wahnhafte, paranoide Charaktere durch ihre Irrationalität bezeichnen. Durch kritische Theorien und Psychoanalyse der analytischen Sozialpsychologie kann man erkennen, dass die Einflüsse der Projektion und der Identifizierung auf die Entstehung antisemitischer Feindbilder untersucht wurde. Ein weiterer Abschnitt setzt sich mit der Wahrnehmung dieser projektiven Feindbilder auseinander. So wurde für eine Diskussion gesorgt. Die Ergebnisse dieser Diskussion sind versteckt, werden verkannt oder ignoriert So kann man sagen, die Katastrophe wird normalisiert und das spricht für einen kollektiven Wahn.
Zum Allgemeinwissen gehört inzwischen fast die Erkenntnis, dass die Antisemiten wie alle übrigen Vorurteil- und Stereotypenbildungen mit Projektionen zu tun haben. Lässt sich die Frage stellen: Wie funktioniert der Projektionsvorgang in den psychischen Abwehrmechanismen? Welche Gründe werden auf welchen Wegen auf wen projiziert? Adorno versteht in der Psychoanalyse unter dem Begriff Projektion eine pathologische psychische Operation.
Wahrnehmungsstörung
Im Verschwörungswahn des Antisemiten steht in erster Linie die Angstumwandlung, dieser ist ein Affekt des Hasses. Destruktive Prozesse führen zu einem Realitätsverlust, unbewusste Phantasien und Affekte verfälschen die Wahrnehmung. Diese falsche Wahrnehmung führt in erster Linie zu einer Vereinigung der wehrhaften Volksgemeinschaft und somit zu einer kollektiven Angleichung. Dieses Kollektiv übernimmt die Wahrnehmungsorganisation und unterteilt die Welt in Gut und Böse, in Freund oder Feind.
Die Nationalsozialistische Volksgemeinschaft differenziert im Volk zwischen Ungleichheit zwischen dem Bild des Juden und dem Bild des Deutschen, wobei der Fokus auf die Andersartigkeit der Juden gerichtet wird. Aus diesem Grund ist die politische Wahrnehmungssteuerung besonders wichtig gewesen. Durch diese Wahrnehmung würde die Masse vereinigt mit der Idee des Nationalsozialismus. So fand man eine Ausrede den Krieg gegen die Menschheit zu führen, was in einer Massenvernichtung der Juden ausartete. Man hat die Gestalt der Juden als hässlich, bedrohlich, fremdartig, arrogant, und als verdächtig dargestellt um Abscheu und Hass abzubauen. So entstand das Hasspotenzial, welches die bis zur Vernichtungsbereitschaft gehende Grausamkeiten erklärt. Dieser Zustand wurde durch die kollektiven Aggressionsausbrüche verarbeitet und weiterhin begleitet.
Freud beweist mit der unbewussten Spaltung im Affekthaushalt zwischen der Liebe zur eigenen Gruppe und der Aggressionen gegen die Fremdgruppe. Die Ursache begründet er als Entmischung der libidinösen und aggressiven Triebäußerungen. Der aus sozialer Angst umgewandelte kollektive Hass ist psychologische auf ein Objekt, das erst zum Fremden, dann zum Feind und schließlich zum Opfer gemacht werden kann gerichtet. Denn ähnlich wie auf dem Gebiet der Sexualität sind auch die aggressiven Triebäußerungen. Sie werden von der Phantasie in die Praxis umgesetzt. Der wahrnehmungspsychologische Schlüsselsatz in der Dialektik der Aufklärung ist, dass ein Feind erwählt und schon als Feind betrachtet wird. So wird als Projektion vom inneren Bild auf das äußere Bild reflektiert und äußert sich in Gewalt.
Wenn man den psychischen Zustand der Antisemiten bzw. deren zerstörerische Prozesse beschreibt, kann man sagen, dass die verwendeten Mechanismen Feindbildkonstruktionen als Folge von pathologischen Bildern haben können . Fremdenhass trägt wahnhafte Züge, hinter diesem Wahn stehen Ängste, Wahrnehmungsverzerrungen, die bis zum Realitätsverlust reichen können. Die Antisemiten definieren sich selbst durch die Zugehörigkeit zu einer überlegenen Rasse oder Gruppe.
Andere Gruppen, Rassen oder Nationen haben bei ihnen keine Zugehörigkeit.
Aus psychoanalytischer Sicht steckt hinter diesen Mechanismen ein frühkindlicher Modus aus archaischer Hassbereitschaft, die ihren Ursprung in der Unlusterfahrung hat.
Freud bemerkt: “Das ich hasst und Verabscheut mit Zerstörungsabsicht alle Objekte, die ihm zur Quelle von Unlusterfahrung werden.“(Pohl 2006, S. 56)
.Zusammenfassend, beruht sich der Antisemiten Hass auf eine Projektion, die auf eine frühe Aufspaltung zwischen Erlaubt und Verboten zurückzuführen ist, und auf die Abstoßung jener eigenen inneren Regungen, die ein Anlass von Unlust werden.
Klein, Freud und Adorno führen ähnliche Erklärungen über das Projektionsverfahren aus. So wird als Urform und Vorbild eine aggressive Objektbeziehung gesehen. Dieser Prozess wird beschrieben als eine innere sowie als eine äußere Bedrohungsdynamik. Es passiert als Folge einer Schädigung früher Entwicklungsphasen. Diese Entwicklungsstadien von Subjektivität nennt man paranoid und schizoid und können durch Projektion nach Außen abgestoßen werden.Diese primitiven Mechanismen des Umganges mit der inneren und äußeren Welt, ihre Wahrnehmungen und dahinterstehende archaische Ängste haben sie seit früher Entwicklung nie überwunden. Das gefährlichste Potenzial das möglicherweise besteht, entsteht durch eine Kupplung von Wahnvorstellung und Normalzustand. Gefährlich ist eine Entstehung eines rassistischen und politischen Subjektivismus der den antisemitischen Massenwahn ausmacht. Wenn eine wirtschaftliche Katastrophe oder ein bestimmtes Ereignis die Sicherheit des Individuums oder der Gesellschaft gefährdete, dann waren immer antisemitische Wahnvorstellungen die Ursache. Die antisemitischen Anschuldigungen haben verschiedene Formen.
So bemerkt Simmel: „Ich betone nochmals: Der einzelne Antisemit ist kein Psychotiker – er ist normal. Erst wenn er sich einer Gruppe anschließt, wenn er zum Bestandteil einer Masse wird, verliert er gewisse Eigenschaften, die die Normalität ausmachen, und trägt so dazu bei, einen Massenwahn zu erzeugen, an den sämtliche Mitglieder der Gruppe glauben “ (Simmel 2006, S. 68)
Le Bon hat entdeckt, dass der moderne Massenmensch auf dem Vormarsch ist, weil ebenfalls durch diese Massen eine Massendynamik entsteht, die zerstörerisch im Hintergrund besteht.
Le Bon reagiert darauf mit Furcht und Verachtung, weil er die tiefen Ursachen dieses Phänomens, die Freud später aufklärte, nicht erkannte. Nämlich das Leben der Menschheit, unserer Zivilisation ist äußerst in Gefahr. Andere Probleme gab es, dass der Einzelne von dieser Masse nicht in Verhältnis zu ihren psychischen Leben kann. Jeder erwartet sich Liebe, aber auch das ist nicht mehr möglich, und es gibt keine Möglichkeit der Entladung von destruktiven Strebungen, die durch das Versagen ausgelöst wird.
Le Bon meint, dass der einzelne Mensch nicht dazu neigt als Individuum zu leben, sondern sein Ich aufgibt um in der Masse zu leben. Dies könnte ein Grund sein um zur Zerstörung der Zivilisation zu führen. Diese Anpassung ist eine Pseudoanpassung, die mit Hilfe einer Vielzahl von Fluchtmechanismen aufrechterhalten wird. Sie ermöglicht einen Realitätsverlust.
Le Bon sagt, in der Masse wird das einzelne Individuum seine Verantwortung abgeben. Somit erklärt er ,dass das individuelle Über-Ich der Masse seinen Gehorsam übergibt. Er wird wieder zu einem Kind, das nur die äußere Gewalt seiner Eltern fürchtet. Des Weiteren meint Le Bon, das Aufgehen des Ichs in der Gruppe befähigt ihn seine tatsächlich infantile Machtlosigkeit gegenüber der Realität zu überwinden. Dies ermöglicht ihm Triebfreiheit und die Macht eines Erwachsenen. Mit Hilfe einer Massenpsychose kehrt er zur Realität zurück, vor der der einzelne Psychotiker zurückschreckt. Le Bon beschreibt weiter, das Denken und Handeln des Massenmenschen steht völlig im Bann der unbewussten Primärprozesse. Die Vernunft wird ausgeschaltet.
Man schätzt, dass das Verhältnis von Individuum und Kollektiv durch den pathologischen Wahn zusammengehalten wird. Die psychoanalytische Forschung der Charakterbildung zeigt, dass irrationale Ideen in Einklang mit irrationalen Handlungsimpulsen stehen, die dem Individuum helfen das seelische Gleichgewicht wiederzufinden. Der kollektive Charakter einer Gemeinschaft, ihrer Zivilisation, ist ebenfalls psychopathologischen Störungen unterworfen, die den Antisemitismus als irrationales Massenphänomen hervorbringen. Der Antisemitismus ist eine psychopathologische Persönlichkeitsstörung, ein Rückfall auf ein ontogenetisches wie phylogenetisches Entwicklungsstadium. Der Hass regiert die Beziehung zur Umwelt. Er erzeugt neben anderen Krankheitszuständen den Antisemitismus.
Die PA. bestätigt, dass Antisemitismus pathologisch krankhaft ist. Durch irrationale Ideen im Verein mit irrationalen Handlungsimpulsen versuchen Sie ihre pathologische Störung zu überwinden und ihr seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Freud sagt, dass in einer Zivilisation kollektive Charakterbildung analog ist zur Charakterentwicklung beim Individuum. Zwischen individueller und kollektiver Charakterbildung besteht eine Spiegelbildung. Der Antisemitismus ist eine irrationale, individuelle Idee, die durch irrationale Handlungsimpulse des Bedürfnisses des Individuums dient, einer pathologischen Störung.
Der kollektive Charakter einer Gemeinschaft, ihre Zivilisation ist ebenfalls psychopathologischen Störungen unterworfen. Diese pathologische Ähnlichkeit von Individuum und Kollektiv bewirkt eine Stärkung und Bindung, Richtung Neurose, Massenpsychose und Wahn. Projektive Identifizierung bei Klein: es steht fest, dass individuelle Teile des Selbst abgespaltet und auf eine andere Person projiziert werden. Es erfolgt ein unbewusster Abwehrmechanismen, der abgespaltene Teil wird besitzergreifend retourniert und verfolgt.
Die Projektion bei Freud
Freud meint, dass der Mensch der an einer Neurose bzw. an einem Wahn leidet, alles was in ihm ist auf andere projiziert. Ihm ist nicht bewusst dass er selbst krank ist, er denkt, die anderen wären die Kranken. Diese Projektion findet sich besonders bei der Paranoia bzw. auch in den normalen Denkformen wie dem Glauben. Der Antisemit sieht sich selbst nicht als krank, er wird niemals eine Therapie in Anspruch nehmen.
Die Kollektive stehen zum Individuum in eine Art Propaganda, ein gemeinsames Anliegen als Verbindung zugunsten der politischen Machthaber. Das Pflichtgefühl des Individuums ist in der Masse ausgeschaltet, die Verantwortung wird an einen Führer beziehungsweise an das Kollektiv abgegeben. Die eigene Persönlichkeit wird gestärkt durch die Masse, aber in Wirklichkeit ist sie kein gesunder Zuwachs an Selbstbewusstsein. Die Wirklichkeit wird als Illusion erlebt.
Kein Individuum ist bereit die Verantwortung für das Geschehen zu übernehmen. Vorteile: wer selbst von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt ist, wird diese im Kollektiv zu Gefühlen der Macht transformieren. Die Aussicht auf eine verbesserte Lebenssituation lässt das Individuum zum Mitläufer werden, in der Hoffnung auf eine Verbesserung seiner sozialen Situation. Durch Gemeinschaft stärkt sich das angeschlagene Selbst einer Person.
Der Antisemitismus als reine Massenneurose zu sehen ist zu wenig, ein neurotischer Mensch kann niemals eine Gruppe bilden. Es kann nur eine kurzzeitige Anpassung an das Kollektiv erfolgen. Neurotiker können ein Massenphänomen weder hervorbringen noch am Leben erhalten.
Irrationalität des Antisemitismus
Warum bezeichnet man Antisemitismus als irrationales Massenphänomen? Um diese Frage zu beantworten, muss man die Beziehungen zwischen Antisemitismus und Zivilisation untersuchen. Die Mehrheit der Parlamentarier, die den Antisemitismus als politische Kraft zu bekämpfen haben, bestimmen die Bedeutung für die Zivilisation stets bewusst, als der Antisemitismus. 1890 sagte Eugen Richter, einer der großen deutschen Parlamentarier im deutschen Reichstag offiziell: „Wenn wir dieser Bewegung erlauben größer zu werden, zerstören wir die Säulen auf denen unsere Kultur ruht“( Simmel 2006, S.59). Der deutsche Außenminister Rathenau, jüdischer Abstammung, erklärte nach dem ersten Weltkrieg: „Der Antisemitismus ist die vertikale Invasion der Gesellschaft durch die Barbaren“(ebd. , S. 59)
Rathenau wurde von den Nazis ermordet. Das deutsche Beispiel zeigt, dass der Antisemitismus den Zivilisationsprozess umkehren und die antisemitische Persönlichkeit auf das Stadium des primitiven Kannibalismus zurück werfen kann. Aus Psychoanalytischer Sicht ist erwiesen, dass der Antisemitismus die Errungenschaften der Zivilisation vernichtet. Der Zivilisationsprozess bringt den Antisemitismus als pathologische Symptomatik hervor, die den Boden zerstört, auf dem sie gewachsen ist. Der Antisemitismus ist ein bösartiges Geschwür am Körper der Zivilisation. Wenn man die verschiedenen Anschuldigungen gegen die Juden untersucht, kann man sehr zum Missfallen der Antisemiten bemerken, was jüdische Merkmale betrifft, dass die Juden lieber ihre geistigen als körperliche Kräfte nutzen, weil ihr Intellekt besser entwickelt ist als ihre Physis.
Die Juden dominieren Berufe, in denen intellektuelle Fähigkeiten von entscheidender Bedeutung sind. Diesem positiven Gedanken kann der Antisemitismus sicher nicht erklären. Wenn wir Geschichte zu Rate ziehen, erfahren wir, dass die soeben erwähnten Persönlichkeitsmerkale nicht Ursache, sondern Resultate des Antisemitismus sind. Das Jüdische bestand ebenso aus Kriegern, Bauern und Denkern wie andere Nationalitäten Gruppen, bis es in Folge der Zerstreuung des Rechts beraubt wurde, sich im Kampf um Selbstbehauptung seiner körperlichen Kräfte zu bedienen.
Man versklavte es und zwang das Volk ohne Ackerland zu leben. Es wurde behaupte , dass die Juden ihr Vaterland nicht schätzen , sie besäßen alles Geld im Lande, strebten die Besetzung alle Spitzenpositionen in den gehoben Berufen an. Die Regierungspositionen beschlossen, dass die Juden nicht als Universitätsprofessoren zugelassen werden. Ausgeschlossen von der Armee dürfen sie nicht Offiziere werden. Legalisiert durch die Regierung wurden ihre Geschäfte boykottiert.
Als die antisemitischen Affekte von modernen, zivilisatorischen Vorstellungen abgekoppelt wurden, erfolgte die gnadenlose, vollständig physische Vernichtung der Juden. Die Irrationalität des Antisemitismus manifestiert sich darin, dass die Juden als Verbrecher beschuldigt werden. Einen erotischen Liebestrieb der Arterhaltung und einen destruktiven Verschlingungstrieb des Hasses mit dem Ziel der Selbsterhaltung: „Nicht nur unsere Urahnen waren Kannibalen; wir alle treten ins Leben mit dem Trieb, nicht nur Nahrung, sondern alle Objekte, die uns Beschwernisse auferlegen zu verschlingen. Bevor das kindliche Individuum die Fähigkeit zu lieben erwirbt, wird es von einer primitiven Hassbeziehung zu seiner Umwelt beherrscht“ (Simmel 2006, S.65) Die aggressive Destruktion ist der primitive Vorläufer des psychischen Verdrängungsvorganges. Der Prozess der Regression geht mit der Aufhebung der Schranken der Verdrängung her.
In Folge dieser Aufhebung der Verdrängung kann unbewusstes Material zum bewussten Ich vordringen. Das Ich wird auf diese Weise der irrationalen seelischen Innenwelt unterworfen. Die Verdrängung wird regressiv durch zerstörerische Aggression ersetzt. Während sich der Zustand des psychotischen Ich-Systems verschlimmert, unterliegt das Über-Ich allmählich dem Es. Das erklärt, dass das Ich sich nicht mehr an der Realität orientieren vermag und die Fähigkeit verliert, zwischen der äußeren Realität der Objekte und der inneren, irrationalen psychischen Realität zu unterscheiden. Die Bilder, die die Welt des Psychotikers bevölkern, können von den Eltern übernommen sein.
Im Widerstreit bricht das Ich zusammen, weil es den Ambivalenz Konflikt mit den Eltern nicht lösen konnte. Seit Jahrhunderten gab es kaum eine Veränderung des antisemitischen Verhaltens. Weder ethischen Maßstäbe, noch Sozialstrukturen der Epoche haben Verbesserung gebracht. Zu Gunsten der deutschen Antisemiten ist das antisemitische Verhalten immer gleich geblieben. Man kann sich nicht vorstellen, dass eine solche Isolation in Deutschland und Österreich immer noch vorherrschen. Die Beobachter konnten feststellen, dass der Antisemitismus sich in Folge des zweiten Weltkrieges in allen Ländern verbreitet hat.
Auch in den USA ist in einem bestimmten Rahmen der Gesellschaft ein solcher Antisemitismus in Erscheinung getreten. Die Juden wurden nicht in die Gesellschaft integriert, sondern in ihren Aktivitäten und in ihrer Daseinsform eingeschränkt. Sie wurden von manchen Clubs, Universitäten und Fachschulen verwiesen. Dies war eine Reaktion auf die Masseneinwanderung der Juden, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als Millionen Juden aus verschiedenen europäischen Ländern, wie z.B. Rumänien, Polen und Russland, in die Vereinigten Staaten flohen. Im Zweiten Weltkrieg nahm der deutsche Antisemitismus Form an. Er erfasste einen immer größeren Kreis der amerikanischen Bevölkerung, und je mehr er sich ausbreitete, desto irrationaler wurde die Diffamierung der Juden.
Es kamen so ganze Reihen von Beschuldigungen: Die Juden hatten den Krieg angefangen, die Juden hatten Schuld an den Beschränkungen, die der Ausnahmezustand nötig machte, sie sind verantwortlich für die Korruption, z.B. für den Schwarzmarkt, usw. Darüber hinaus tendierte der Antisemitismus dazu, einen Unterschied zwischen amerikanischen Bürgern und Juden zu machen. Es ist möglich, dass diese neue Form des Antisemitismus zum Teil aus Quellen der Organisation der Neonazi Propaganda in diesem Land stammt.
Hier lässt sich die Frage stellen, warum hat solche Propaganda in Amerika Erfolg, und warum breitet sie sich jetzt, da der Krieg vorbei ist, weiter aus?
Auf diese Frage Antwort zu finden, ist von größter Bedeutung für die Psychoanalyse. Denn der Antisemitismus bedeutet nicht nur eine Gefahr für die Juden, sondern auch eine Gefahr für dieses Land. Mehr noch, er ist eine Gefahr für die gesamte Zivilisation. Dass Deutschland seine jüdischen Bürger komplett geschädigt und zu einem immigrationsfeindlichen Land abgestempelt hat, war der entscheidende Faktor, der zu einem globalen Krieg und weltweiten Holocaust voller Hass und Zerstörungen führte.
Die amerikanische Regierung nahm Stellung zu diesem Chaos: Sie blieben ihrer demokratischen Tradition treu, verurteilten solche negative Vorurteile und Diskriminierungen und stellten sich auf die Seite der Juden und gegen die Bewegung der Neonazis. Eine weitere Frage wurde von der psychoanalytischen Gesellschaft von San Francisco, die der American Psychoanalytic Association angeschlossene kalifornische Gesellschaft und einer Gruppe von Wissenschaftler zu diesem Symposium über Antisemitismus, gestellt: Was würde mit den Vereinigten Staaten und der Zivilisation geschehen, wenn der Antisemitismus hier vorherrschen sollte?
Sie nahmen Stellung: Es ist unsere Pflicht gegenüber unserem Land und gegenüber der Weltgemeinschaft das Problem des Antisemitismus sorgfältig zu untersuchen und rasche Lösungen zu finden. Es ist klarzustellen, dass der Antisemitismus gegen die Minderheit der Juden vorgeht und unsere Pflicht ist es, dass wir die Minderheit beschützen.
Literatur:
– Pohl R (2006) Projektion und Wahn. Adorno und die Sozialpsychologie des
Antisemitismus. In: Perels, Joachim (Hg.) (2006): Leiden beredt werden lassen. Beiträge über das Denken Theodor W. Adornos. Hannover
– Simmel E Antisemitismus und Massen-Psychopathologie, in: Simmel E (Hg.), Adorno T W, Berliner B, Fenichel O, Frenkel-Brunswik E, Nevitt Sanford R, Horkheimer M, Orr D W, Simmel E (1993) Antisemitismus, Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main
– Pohl R (2010) Der antisemitische Wahn. Aktuelle Ansätze zur Psychoanalyse einer sozialen Pathologie, in: Wolfram Sender, Guido Follert, Mihri Özdogan (Hrsg.): Konstellationen des Antisemitismus. Antisemitismusforschung und sozialpädagogische Praxis, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
– Horkheimer M, Adorno T W, Elemente des Antisemitismus – Grenzen der Aufklärung
Text II: Elemente des Antisemitismus
aus: „Dialektik der Aufklärung – Philosophische Fragmente“
Univ. Prof. Dr. Andrawisa