Depressionen
Depression und ihre klinischen Symptome; der Begriff Depression leitet sich, wie schon Laux erklärt, vom lateinischen Wort „deprimere“. Die Depression hat viele Gesichter und verschiedene Erscheinungsbilder. Folgende Symptome können, wie schon Laux beschreibt, auftreten: Antriebshemmung, Müdigkeit, Schlaf- sowie Denkstörung, depressive Verstimmung, Grübeln, innere Unruhe, Angst, Hoffnungslosigkeit, Entscheidungsunfähigkeit, Initiativeverlust, Interessenverlust, Konzentrationsstörung, Appetitlosigkeit, Vitalstörung, Wahnideen und Suizidgedanken.
Während der depressiven Phase besteht ein hohes Suizidrisiko bei 40–80% der Patienten. 15% der Erkrankten begehen einen Suizid, 20–60% weisen einen Suizidversuch auf. Das äußere Erscheinungsbild eines Depressiven zeigt eine ernste, erstarrte Mimik, leise Stimme, gesenkten Blick, zögerliche Sprechweise (Laux G, 2001).
Eine gehemmte Depression äußert sich in einer beschränkten Psychomotorik, in einer reduzierten Aktivität und im schweren Fall, in einem depressiven Stupor.
Bei einer agierten Depression zeigen sich vor allem folgende Symptome: Bewegungsunruhe, Hektik, unproduktives Verhalten, Jammern.
Bei einer tomatisierten Depression handelt es sich um vegetative und psychosomatische Störungen (ebd.).
Psychosomatische Symptome bei larvierter (somatischer) Depression
Abb.13: Psychosomatische Symptome bei somatischer Depression
Modifiziert übernommen aus: Möller H-J, Laux G, Deister A, 2005, S.85
Die anankastische Depression äußert sich, wie schon Laux beschreibt, in übertriebener Ordentlichkeit, in Gewissenhaftigkeit und in Zwangssymptomen. Dazu gehört das nach der Kaiserin Elisabeth benannte “Sisi-Syndrom“. Es ist bei circa einem Drittel der betroffenen Frauen zu finden. Hier kommt es zu Unrast, körperlicher Hyperaktivität, Sprunghaftigkeit, raschen Stimmungsschwankungen, Fasten, übertriebenem Körperkult, Selbstwertproblem und Selbstbehandlungsversuchen. (Laux G 2001)
Therapie
Bei bipolarer Erkrankung ist eine medikamentöse Behandlung notwendig, die auch mit Sicherheit einen langen Zeitraum beansprucht. Wie schon Ebert und Loew erwähnen, ist die Rezidivprophylaxe als Dauertherapie unumgänglich. Innerhalb eines Jahres sollte nach dem Abklingen der Symptome mit diesen Maßnahmen begonnen werden. Im Falle eines Rückfalles werden die Therapien wiederholt. Die Episoden lassen sich reduzieren und eine dauernde Beschwerdefreiheit wird erreicht. (Ebert D, Loew T, 2011)
Die Behandlung der Depression erfolgt durch Psychopharmakotherapie mit Antidepressiva. Wie schon Frank betont, wird ebenso empfohlen eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, allerdings ist dies erst nach der Akutphase sinnvoll. In der akuten Episode ist ein stationärer Aufenthalt notwendig, um eine intensive Therapie zu gewährleisten und die Suizidgefahr zu bannen. Bei leichteren Ausprägungsformen genügt oftmals eine ambulante Behandlung, vor allem dann, wenn zuverlässige Angehörige den Patienten überwachen. Der Patient selbst sollte sich keiner beruflichen Belastung – auch nicht dem Straßenverkehr – aussetzen. (Frank W, 2007)
Nachdem die Diagnosekriterien erfüllt sind, ist es wichtig, dass internistische und neurologische Untersuchungen beginnen. Das Blutbild wird, wie schon Laux beschreibt, im Labor bestimmt (Leber, Nieren, Elektrolyte, Blutzucker, Cal, Schilddrüsenwerte, Vitamin B12 Spiegel, Serumeisenspiegel), EEG, CT, eventuell NMR, Hirnszintigraphie, SPECT, rCBF, Doppler Sonographie folgen. Eventuell sollte bei einer Remission der Depression ein Dexamethason-Test durchgeführt werden. Standardisierte Beurteilungsskalen erleichtern die Beurteilung des Schweregrades der Erkrankung. (Laux G, 2001)
Ein Fallbeispiel aus dem Med. Univ. Wien AKH
Ich möchte am Beispiel einer Patientin, die ich im Rahmen meiner klinischen Erfahrung in der Universitätsklinik Wiener AKH kennengelernt habe, die Ursachen, Symptomatik, Diagnose, Therapie und den Verlauf der bipolaren affektiven Störungen näher beschreiben.
Patienten Anamnese
Die Patientin Frau M. kam freiwillig in Begleitung ihres Hausarztes und dessen Gattin, zu der sie eine freundschaftliche Beziehung hielt, zur Aufnahme auf die Station. Obwohl sie wenig krankheitseinsichtig war, konnte ihr Hausarzt sie zu einer stationären Aufnahme motivieren.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme war Frau M. deutlich unruhig. Sie gab eine starke innere Unruhe an, die sich auch in einer deutlichen motorischen Unruhe äußerte, wobei sie während der Anamnese oft vom Sessel aufstand und im Zimmer auf und ab ging. Ihr Gedankenablauf war beschleunigt, weitschweifig, und teilweise sprang sie von einem Gedankengang zum nächsten. Ihre Konzentration und Gedächtnisfunktion waren deutlich herabgesetzt. Die Stimmungslage schwankte stark zwischen Euphorie und Gereiztheit. Sie gab Ein- und Durchschlafstörungen an, mit dem subjektiven Gefühl, in letzter Zeit weniger Schlaf zu brauchen.
Aus ihren Angaben und aus der Krankengeschichte erkennbar, kam es in den letzten Jahren des Öfteren zu Krankenhausaufenthalten aufgrund von manischen Episoden. Zu der letzten Aufnahme kam es, nachdem die Patientin mit dem Auto gegen eine Einbahn fuhr, bei dem Versuch der Polizei sie anzuhalten, die Flucht ergriff und eine gefährliche Verfolgungsjagd auslöste. Außerdem musste sie zwei Mal wegen verbalen und tätlichen aggressiven Ausbrüchen, im Sinne einer Fremdgefährdung nach dem Unterbringungsgesetz (U.b.G.) untergebracht werden.
In den letzten Monaten hatte Frau M. ihre Medikamente nicht mehr regelmäßig eingenommen und ihren Facharzt seltener konsultiert, was zum erneuten Ausbruch einer manischen Phase führte.
Nachdem auch mehrere depressive Phasen explorierbar und bekannt waren, kam es zu der Diagnose Bipolar affektive Störung mit gegenwärtiger manischer Episode (ICD-10 F31.1.1).
Erscheinungsbild der Manie bei Patientin M
Wie schon Dilling et. al. beschreiben, kann der Maniker auch rechthaberisch, gereizt, ja aggressiv sein, wie es auch bei Frau M. der Fall war. Ebenso ist er leicht ablenkbar, springt im Gedankengang von Idee zu Idee, kann auch sehr witzig und schlagfertig sein. Er ist oft laut, lebhaft, rastlos und voller Wagemut. Schon früh fallen Rede- und Schreibdrang, ein vermindertes Schlafbedürfnis, Kaufrausch, Wut und Kontaktgier, insbesondere ständiges Telefonieren, auf. Der Maniker neigt zu unpassender Vertraulichkeit, auch gegenüber fremden Personen, Prahlereien, gesellschaftlichen „Ausrutschern“, Schwindeleien und ist oft aufdringlich, herausfordernd, distanzlos, unverschämt und mitunter sexuell enthemmt. Die gesellschaftlichen und sozialen Folgen sind oft schwerwiegend. Der erwähnte Kaufrausch kann bis zum finanziellen Ruin gehen, oft kommt es zu schweren Auseinandersetzungen mit Verwandten, Bekannten, Vorgesetzten und Behörden. Am Schluss drohen nicht selten Trennung, Scheidung, Entlassung, Schulden und ein ruinierter Ruf. (Dilling H, Mombour W, Schmidt M H, 2008)
Einige der genannten Symptome waren bei Frau M. während der Aufnahme und nachfolgenden Gespräche feststellbar.
Genetische Disposition
Bei der Patientin Frau M. hatte die Familienanamnese ergeben, dass die Mutter wegen einer rezidivierenden depressiven Erkrankung in Behandlung war. Auch eine ihrer Schwestern war an einer schweren Depression, teilweise mit mutistischen Zustandsbildern, erkrankt.
Ebenso spielen kritische Lebensereignisse – sogenannte „Life-events“ – eine entscheidende Rolle bei der Auslösung einer affektiven Erkrankung. Laut Patientin Frau M. kam es kürzlich zur für sie massiv belastenden Trennung von ihrem aktuellen Lebensgefährten, welche sie als massiv belastend beschrieb. Außerdem hatte sie im Rahmen ihres Berufes mit enormem Zeitdruck zu kämpfen und konnte ihre Arbeiten in letzter Zeit nicht mehr rechtzeitig abliefern. Der Depressive sieht sich selbst und die ihn umgebende Welt negativ. Auch Frau M. gab zum Zeitpunkt der Aufnahme Suizidgedanken an, die aber noch nicht konkreter ausgestaltet waren. In der Vergangenheit hatte sie jedoch schon einmal einen Suizidversuch unternommen, der an einer Schnittwunde am Handgelenk erkennbar war.
Neurobiologische Hypothese
Im Jahr 1960 wurde von mehreren Arbeitsgruppen festgestellt, dass Reserpin zu einer Senkung der Konzentration verschiedener biogener Amine im Zentralnervensystem führt. Wie schon Frank erläutert, kam es im Rahmen der Behandlung von Hypertonie-Patienten, denen Reserpin verabreicht wurde, bei 10% der Personen zu einer depressiven Phase (Frank W, 2007).
Zu dieser Zeit war bekannt, dass die trizyklischen Antidepressiva, sowie Monoaminooxidase-Hemmer (MAO), eine wesentliche Wirkung auf die Neurotransmitterkonzentration von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt haben. Durch die hemmende Wirkung der trizyklischen Antidepressiva (Reuptake-Hemmung) und die MAO-Hemmer, wird ein enzymatischer Abbau verhindert.
1965 sah Schildkraut die Ursache einer Depression in einem Mangel von Noradrenalin, und 1967 formulierte Coppen die Serotonin-Hypothese als Verursacher depressiver Zustände.
Weiters wird bestätigt, dass zyklothyme Depression aus Serotonin- und Noradrenalinmangel entstehen (Monoaminmangel-Hypothese) (ebd.).
Dysfunktion in Neurotransmittersystemen
Psychiatrische Störungen werden, wie schon Frank erklärt, im Zusammenhang mit Dysfunktion in Neurotransmittersystemen des Gehirns gebracht, die Depressionen und Angststörungen vor allem mit den Neurotransmittern Serotonin und Noradrenalin, aber auch mit Substanz P oder Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Die Zwangsstörung wird mit dem Serotonin-System, die Schizophrenie vor allem mit den Transmittern Dopamin und Glutamat in Zusammenhang gebracht. Bei Suchterkrankungen spielt Dopamin ebenso eine Rolle. Aus verhaltenstheoretischer Sicht kann die Depression als Störung der Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und Selbstverstärkung aufgefasst werden (Frank W, 2007.)
Therapie und Verlauf für Patientin M – Im Rahmen meiner klinischer Aufgabe an der Uni Klinik im Wiener AKH:
Auf der Station erfolgte die Einstellung auf Valproinsäure, einem Stimmungsstabilisator und einem atypischen Antipsychotikum, wodurch ein Abklingen der manischen Symptome erwirkt werden konnte. Der anfangs äußerst starke Antrieb normalisierte sich rasch und Frau M. verbrachte immer längere Ruhepausen im Bett. Zusätzlich benötigte Frau M. eine Abschirmung von äußeren Reizen und klare Strukturen. In zahlreichen Gesprächen machte Frau M. die neuerliche manische Episode zum Thema und zeigte erstmals großes Interesse daran, ihre Krankheit richtig zu verstehen. Ebenso beteiligte sie sich intensiv an dem therapeutischen Programm auf der Station, welches aus Ergotherapie, Physiotherapie, psychotherapeutischen Einzel- und Gruppengesprächen bestand.
Im Rahmen der Therapiegespräche
Die Schwierigkeit der Patientin sich selbst zu disziplinieren, beziehungsweise vertrauensvoll andere zu akzeptieren, die ihr bei erneutem Ausbrechen der Manie Hilfestellung leisten könnten, wurde deutlich. Es ergab sich auch ein Familiengespräch mit den Eltern und der Schwester, sowie ein Gespräch mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten, zu dem sie noch Kontakt hatte. Im Sinne einer Psychoedukation, wurde auch die Familie über ihre Krankheit aufgeklärt und auf die Wichtigkeit der Erkennung von Frühzeichen aufmerksam gemacht.
Frau M. wünschte sich gegenüber ihrer Familie mehr Unabhängigkeit und fühlte sich nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten sehr einsam. Es wurde mit ihr besprochen, eventuell auf einen weniger stressvollen Job umzusteigen und an einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen. Sie entschied, sich in Psychotherapie zu begeben, und es konnte noch während des Aufenthalts ein Termin zur Erstvorstellung vereinbart werden.
Darüber hinaus wurde mit ihr mehrmals über die Notwendigkeit der regelmäßigen Medikamenteneinnahme und über fachärztliche Betreuung geredet. Auch wurde sie darauf hingewiesen, dass die rezidivierende bipolare Erkrankung eine mehrjährige Langzeittherapie erfordert und ein Reduzieren oder Absetzen der Medikamente ohne ärztliche Konsultation zu einem erneuten Ausbruch der Erkrankung führen kann.Im weiteren Verlauf unternahm Frau M. langsam erweiterte Tag- und Nachtausgänge auf der Station, die problemlos verliefen, und sie konnte schließlich in einer stabilen Verfassung entlassen werden.
Schlussbemerkung
Psychische Erkrankungen viel früher zu erkennen und zu behandeln ist aus meiner Sicht notwendig. Des Weiteren wäre wichtig, dass mehr Menschen, besonders aus sozial bedürftigen Familien, Zugang zu einer Psychotherapie auf Krankenschein bekommen. Aus meiner Erfahrung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie – sehr viele Kinder werden in Wohnheimen und Wohngemeinschaften untergebracht – wäre es sinnvoller, die betroffenen Kinder intensiver durch Psychotherapien zu behandeln und sie dabei so lange wie möglich in der Familie zu belassen.
Auch in Unternehmen, in denen es sehr stressig zugeht, wäre es wünschenswert, wenn Mitarbeiter ihren Stress im Rahmen einer Supervision von einer/m Psychotherapeutin/en verarbeiten könnten.