Psychosomatische Medizin  PSM

Die Psychosomatische Medizin (PSM) ist die Lehre der Wechselwirkung zwischen der Psyche und den gesamten Körperorganen, sowie der Entstehung von psychosomatischen Störungen. Das untergeordnete Neurotransmittersystem hat einen großen Einfluss auf die Entstehung von verschiedenen Erkrankungen, besonders bei psychosomatischen Krankheiten, die sehr schwer zu erkennen sind. Es kann einige Jahre dauern, bis man psychische Störungen als solche erkennt und den Auslöser nicht bei dem Organ selbst findet (Andrawis A, 2018).

Der Austausch im Denken und Handeln innerhalb der Kommunikationsgesellschaft geschieht in einem Vernetzungssystem. Die bisher angewandte Biomedizin wird durch ein bio-psycho-soziales Konzept abgelöst. So sieht die Medizin psychosomatische Störungen heute nicht nur als Störung des kommunikativen Gewebes (vegetatives Nervensystem, Verdauungstrakt), sondern identifiziert auch Belastungen durch die Umwelt als Auslöser. Individualität und Kultur, Gene und Gesellschaft stehen in Wechselwirkung zueinander. Kränkende und heilende Ereignisse nehmen Einfluss auf das Verhalten des Menschen. Nicht nur Medikamente können bei Schmerzen helfen, sondern auch neue Ziele und die damit verbundene Hoffnung. Wie schon Andrawis betont hat, können Stress im Berufsleben oder Einsamkeit zur Schwächung der Abwehrkräfte führen (ebd.).

6.1  Psychosomatische Erkrankungen

Autor Stellte die Frage, wie sich seelisches Erleben und körperliches Geschehen miteinander verbinden, war (…) ein immer wieder behandeltes Thema. Mit der Bewegung der psychosomatischen Medizin wurde es im 19. Jahrhundert zur wissenschaftlichen Herausforderung und in der Praxis zur therapeutischen Aufgabe  (Andrawis A, 2018).

 

Die Entstehung von psychosomatischen Erkrankungen zeigt eine Korrelation mit Überforderung, Gewichtsverlust, Veränderung emotional-physischer Reize, sowie des seelischen Gleichgewichts und schließlich Überbelastung: Aus physiologischer Sicht einer Leib-Seele-Reaktion betreffen sie das autonom-vegetative Nervensystem, sowie das endokrine System, während der humorale Inhalt als Faktor im Vordergrund steht. Die Steigerung biochemischer Vorgänge, wie in der Hypophyse-Nebennieren-Achse, dem ACTH, der Glukokoritikoide und dem Cortisol, sowie dem SerumTriglyzeride und Cholesterin, können auf Stressreaktionen hinweisen. Die Immunität ändert sich in Bezug auf den Einfluss der Umwelt  (ebd.).

6.2  Die Müdigkeit beim gesunden Menschen und körperliche Beschwerden.

 

Wie Tölle & Windgassen (2009) schon beschrieben haben, wird Müdigkeit beim gesunden Menschen als angenehm wahrgenommen. Gegenteilig dazu verläuft es bei Betroffenen psychosomatischer Störungen, welche unter innerlichem Druck stehen und bei denen Symptome der Müdigkeit häufig als Erschöpfung wahrgenommen werden.

Körperliche Beschwerden

Abb. 1 Physische Beschwerden ohne körperliche Veränderungen

Quelle: (Möller et al.  2005:253)

Dies äußert sich durch Anspannung, Unruhe, Reizbarkeit, Konzentrationsstörung,  Leistungsunfähigkeit,  bedrückt sein, Lustlosigkeit, Stimmungsschwankungen, unruhigem Schlaf, Flimmern vor den Augen, feines Zittern der Finger, klopfendem Kopfschmerz, unangenehmer Empfindung des beschleunigten Pulses / Extrasystolen, anderen Herzbeschwerden ohne organischen Befund, Magenbeschwerden, Durchfall, Impotenz oder Obstipation einhergehen  (Tölle & Windgassen 2009).

Abb. 2 Symptome Somatoformer Störungen

Quelle: (Möller et al. 2005:256)

6.3  Somatisierungsstörungen

Diagnose nach ICD-10 F und DSM-5 Code 300.82

Die Patienten klagen meistens über organische Beschwerden, bei denen oft ein Befund ohne Hinweis auf organische Erkrankung vorliegt und psychische Störungen im Hintergrund stehen. Wie bei Andrawis erwähnt, besteht eine Wechselwirkung zwischen psychischer Störung und Körperorganen. Folgende bekannte Formen dieser Störung existieren:

– hypochondrische Störung

– somatoforme Schmerzstörung

– Somatisierungsstörung  (Andrawis A 2018).

Für Andrawis (2018) leiden Menschen mit Somatisierungsstörungen viel eher an Depressionen und Angst. Die meisten dieser psychischen Erkrankungen unterschiedlichen Schweregrades müssen nicht extra diagnostiziert werden. Sollten die Beschwerden aber lange Zeit bestehen, ist die Erstellung einer Diagnose notwendig.

6.4  Zur hypochondrischen Störung

Diese Störung geht mit übermäßiger Angst und Befürchtung, dass eine schwere körperliche Belastung vorliege könnte einher, obwohl keine organischen Ursachen vorliegen. In Wirklichkeit leiden zirka 14% der Patienten von Hausärzten an einer hypochondrischen Störung, darunter sind Männer und Frauen etwa gleich stark betroffen (Möller et al. 1996).

Die Patienten verlangen immer wieder nach Untersuchungen, um sich die Symptome ihrer Krankheiten vom Arzt bestätigen zu lassen und neigen zu übertriebenem Medikamenten-missbrauch (ebd.).

Bei somatoformer Schmerzstörung  fühlen Betroffene dauerhaft quälenden Schmerz, der physiologisch nicht erklärbar ist. Dieser Schmerz wird durch emotionale und  psychosoziale Komponenten  ausgelöst. Selbst bei psychischen Störungen, wie Angststörung, können Symptome wie Migräne und Muskelverspannungen, Grund für erhöhtes Schmerzbefinden bei den Betroffenen sein.

Bei den sogenannten somatoformen Störungen leiden alle funktionellen Körperorgane. Man kann die Konversionsstörungen als Teil der somatoformen Störungen sehen. Es liegt eine Vielzahl an körperlichen Symptomen vor, die seit mehreren Jahren bestehen und ebenfalls ohne organische Befunde nachgewiesen wurden. Sie betreffen bis zu 10% der Patienten bei praktischen Hausärzten, wobei es fast nur Frauen sind, die diesen Kriterien der Störung entsprechen. Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen liegt dabei eins zu zwei  (ebd.).

Kopf schmerzen und Schwindel

Abb. 3 Psychosomatische Symptome bei somatischer Depression

Quelle: (Möller et al. 2005:85)

6.5  Somatisierte Depression

Nach Laux ist somatisierte Depression jene depressive Episode, die meistens mit körperlichen Beschwerden als maskierte Depression auftritt.  Dies bedeutet, dass sie kein eigenes Krankheitsbild darstellt. Die Diagnose kann man nach Ablauf dieser Beschwerden feststellen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass medizinische Befunde, zum Beispiel die Gesundheitsuntersuchung, sowie körperliche Untersuchungen und Laborbefunde herangezogen werden müssen (Andrawis 2018).

 

6.6 Diagnose und Differenzialdiagnose

Die vegetativen Symptome können vorübergehend auch gesunde Menschen betreffen. Dabei handelt es sich um Angespanntheit, Nervosität, Schlafstörungen, Ermüdbarkeit und Konzentrationsstörungen. Das schließt aber nicht aus, dass eine Diagnose für somatoforme Erkrankungen vorliegt. Merkmale für die Diagnose einer somatoforme Störung sind die Entstehung einer Vielzahl an körperlichen Symptomen, wobei kein organischer Befund vorliegt. Die psychischen Symptome liegen im Vordergrund, etwa depressive Verstimmung und Angst (ebd.).

Die Gefahr während der Differentialdiagnose einer organischen Störungen eine echte körperliche Krankheit zu entwickeln, ist bei jenen Patienten, die an chronischen Somatisierungsstörungen leiden, genauso hoch wie bei allen anderen Personen ihres Alters auch. Der Arzt entschließt sich dann zu zusätzlichen Beratungen oder Untersuchungen, wenn die Patienten über ständige Veränderungen ihrer Beschwerden klagen und deshalb eine echte körperliche Krankheit befürchtet werden muss. Ängstliche Störungen, sowie affektive und depressive Beschwerden können als Begleiterscheinungen bei Somatisierungsstörungen auftreten (ebd.).

6.7  Diagnose nach ICD-10 F

Nach ICD-10F können folgende Feststellungen klassifiziert werden:

1.) unbedingte Ablehnung der Fachmeinung von Ärzten, dass die Symptome der Patienten nicht körperlich wären

2.) es muss seit mindestens zwei Jahren eine Vielzahl körperlicher Symptome bestehen, bei denen kein Organbefund vorliegt

3.) Störung familiärer und sozialer Beziehungen aufgrund der Erkrankung

Bei den betroffenen Patienten können jederzeit auch organische Erkrankungen auftreten (ebd.). Dabei ist festzustellen, dass nicht nur die multiplen Symptome, sondern vor allem der Mensch als Ganzheit physischer und psychischer Komplexität zu betrachten.

6.8  Therapeutische  Ziele

Es ist wichtig, den Patienten zu helfen, um herauszufinden woher die Beschwerden kommen und außerdem die Ursache der Symptome anzunehmen und zu verstehen, sowie die Beeinträchtigung aus familiären und sozialen Kontakten geringzuhalten. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass die Dosis der verschriebenen Medikamente niedrig bleibt und es nicht zu Medikamentenmissbrauch kommt. Relevantes Ziel der Therapie ist die Verringerung der medizinischen Maßnahmen und Vermeidung von Operationen. Bei tiefenpsychologisch orientierten Methoden, so wie der Psychoanalyse, ist es die Aufdeckung der Ursache psychischer Störungen und deren Bearbeitung. Dabei soll der Fokus auf den Missbrauch von Medikamenten gerichtet werden. Den Patienten muss bewusst gemacht werden, dass die Nebenwirkungen der Medikamente sensibel zu betrachten sind. Die psychotherapeutische Behandlung soll für lange Zeit angesetzt werden und möglichst kontinuierlich sein, um die Möglichkeit einer vertrauensvollen und tragfähigen Beziehung zwischen Therapeut und Patienten zu bieten (Andrawis A, 2018). In psychoanalytischen Verfahren, der Neurosenlehre der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so wie bei Bräutigam et. al. wird betont,  dass mehrere körperliche Symptome sich als Konversionsstörung zeigen können. Es kann nicht nur Stress alleine zur Erkrankung führen, sondern noch viel eher die Umweltbelastung, sowie psychosoziale Komponenten, da die Betroffenen auf Belastungen oft so sensibel reagieren, dass sie überfordert sind. Hier spielt die Psychotherapie eine wesentliche Rolle für die Genesung (ebd.).

6.9 Weitere Aspekte der Psychotherapie für Angehörige

Bei den Angehörigen stellen Information und Aufklärung über die Krankheiten und möglichste Unterstützung durch Entspannungstechniken, die Entlastung von Sorgen und Ängsten durch abgefangene Affekte dar, um eine präzise Lösung zu finden. Durch Angstabbau bei betroffenen hypochondrischen Patienten kann sehr viel Positives erreicht werden. Wie Ermann beschreibt, können Veränderung im Leben Grund für Ängste sein, wie etwa die Angst, alleingelassen zu werden, Angst vor Spitälern oder im Alltag, sowie Kränkungen und Belastungen, welche die vegetative Steuerung von Körpersymptomen beeinflussen. Bei akutem psychischem Zustand sollte die Verabreichung von Psychopharmaka in Erwägung gezogen werden (Andrawis A, 2018).

Univ. Prof. Dr. Andrawis