Zur Bedeutung der Aufdeckung frühkindlicher Verdrängungen in der Psychoanalyse

Andrawis (2018) bezeichnen das Phänomen frühkindlicher Traumata, die verdrängt wurden und nicht aufgearbeitet werden konnten, als „Verdrängtes Unbewusstes“.  Psychische Veränderungen dieser Art korrelieren außerdem mit pathologischen Symptomen Das Verdrängte-Unbewusste kann als destruktive infantile Verhaltensmuster bezeichnet werden und zeigt sich in Form von neurotischen Übertragungsphänomenen. Diese Phänomene können sich außerdem in Projektionen äußern, welche zwischenmenschliche Beziehungen erschweren Sofern Traumata des „Verdrängten Unbewussten“ überwunden werden konnten, transformiert sich eine zwischenmenschliche Beziehung von destruktiv-infantilen Verhaltensmustern zu gesunden, stabilen, tragfähigen Beziehungen, die ein gelungenes Zusammenleben für und miteinander ermöglichen.

Inwiefern wirkt sich das Unbewusste negativ auf unser Verhalten aus? Das frühkindlich Verdrängte-Unbewusste ist uns Menschen nicht zugänglich. Es besteht keine Kommunikation zwischen unserem Bewusstsein und unserem Verdrängten Unbewussten Andrawis (2018). Das Bewusstsein ist alles, was wir begreifen können und wurde in dieser Form von Sigmund Freud im „Eisbergmodell“ dargestellt. Das Verhältnis des Bewusstseins zum Unbewussten wurde anhand eines Eisberges erklärt, auf welches Nagera, 2007 Bezug nimmt. Nur die Spitze dieses Berges, ein kleiner Teil, ist sichtbar. Und nur diesen Teil, das Bewusstsein, können wir auch begreifen (Freud S. 1912, in Nagera 2007). Laut Müller-Pozzi lässt sich das verdrängte Unbewusste auch mit einer Grabkammer, wo die Traumata gelagert sind, vergleichen.  Angst will vor der schmerhaften Aufdeckung schützen, deshalb ist der Weg zum Unbewussten versperrt. Die  betroffenen Menschen leiden und das wirkt sich   belastend auf das menschliche Miteinander aus.

„Unseren Begriff Unbewusstes gewinnen wir also aus der Lehre von der Verdrängung. Das Verdrängte ist uns das Vorbild des Unbewussten. Wir sehen aber, dass wir zweierlei Unbewusstes haben, das Latente, doch bewusstseinsfähige, und das Verdrängte, an sich nicht bewusstseinsfähige“ (Freud S. 1940:241).

Für zwischenmenschliche Kommunikation  bedeutet dies, dass die Beziehung durch Affekte bedroht wird und zugrunde geht. Aufgrund der Affekte des Verdrängten-Unbewussten findet kein Austausch zwischen der innerlichen und der äußerlichen Welt des Unbewussten statt. Dadurch entsteht eine Dysfunktionalität der Kommunikation in zwischenmenschlichen Beziehungen. In einem größeren Rahmen können auch Kriege dadurch erklärt werden. Man kann dies am aktuellen Beispiel des religiösen Fanatismus erläutern. Religiöse Fanatiker zeigen nach außen hin paranoides Verhalten und aufgrund der Affekte des Unbewussten können die innerliche und die äußerliche Welt nicht miteinander  kommunizieren.Um ein gesundes Miteinander zu ermöglichen, ist die Überwindung dieses Zustandes unerlässlich.

Demjenigen, der dieses destruktiv-infantile Verhaltensmuster zeigt, ist dies jedoch weder bewusst, noch zugänglich. Das heißt, negatives Verhaltensmuster  wird als solches vom Betroffenen nicht wahrgenommen und nicht begriffen. Jegliches Verhalten aus dem Unbewussten ist für den anderen Menschen negativ besetzt, so negativ, dass dadurch zwischenmenschliche Beziehungen zu Grunde gehen. Es ist störend für zwischenmenschliche Beziehungen und es entstehen durch frühkindliche Verdrängungen Missverständnisse, Misstrauen, Hass, Verachtung, Neid und Eifersucht und ein „Gegeneinander“. All diese negativen Eigenschaften kann man als „Vernichtungsmaschine“ (das verdrängte Unbewusste UW) bezeichnen, die sich gegen jegliche Beziehung – insbesondere zwischenmenschliche Beziehung  richtet. Wenn die Vernichtungsmaschine überwunden ist transformiert sich das Leben  und die Menschheit vom Krieg, Hass und der Trennung hin zum Frieden, zur Liebe und letztendlich zum gesunden Zusammenleben füreinander und miteinander.

Laut Kernberg (1998) äußert sich das Verdrängte-Unbewusste in Verhaltensmustern, unter welchen Beziehungen leiden oder sogar in Trennung und Scheidungen enden können. Hierbei findet sich folgendes Dilemma: Jeder Mensch will Gutes für seine Beziehung tun, doch fühlt sich von seinem Verdrängten Unbewussten zurückgehalten. Handlungen dieser Art werden dadurch weitgehend unmöglich gemacht (ebd.)

2.1  Zwischenmenschliche Beziehungen

Leben in guten Beziehungen ist ein biologischer Gesundheitsfaktor. All unsere Erfahrung, alles was wir lernen und erleben, wird durch zwischenmenschliche Beziehungen geprägt. Alle Beziehungen werden durch das Nervenzellennetzwerk gespeichert. Seelisches Fühlen, geistiges Tun wird in den Organismen verarbeitet und entweder als körperlicher Niederschlag oder als seelische Befreiung erlebt. Bei Dysfunktionalität einer zwischenmenschlichen Beziehung wird das Krankheitsrisiko erhöht. Gesellschaftlicher Leistungsdruck, Partnerschaftskonflikt, sowie Konflikte in Familie, Arbeitsplatz führen zu Alarmreaktionen des Körpers (Klußmann & Nickel 2009).

2.2  Destruktiv- Infantiles Verhaltensmuster

Lösungsansätze zur Überwindung destruktiv-infantiler Verhaltensmuster finden sich bei Müller-Prozzi (2002): Für den Patienten sollte einerseits der Wille zur Veränderung, sowie die Bereitschaft sich seinen Problemen durch kritische Selbstreflexion stellen zu können, vorhanden sein. Wie bereits erwähnt wurde, kann man sich das Verdrängte-Unbewusste als Grabkammer vorstellen, in der alle verdrängten Traumata lagern. In Bezug auf die Grabkammermetapher erläutert Müller-Prozzi (2002), dass sich aus ihrem Depot vorerst unbewusste Verhaltensmuster etablieren, welche sich in der Außenwelt bemerkbar machen. Diese nach außen getragenen Muster werden in der Psychoanalyse PA. neurotische Übertragungsphänomene, welche in Form von Projektionen, durch verschiedenste Situationen als Syndrome auftreten und als Übertragung verstanden werden.

Phänomene dieser Art haben negativen Einfluss auf  zwischenmenschliche Beziehungen und korrelieren mit Persönlichkeitsstörungen, ins-besondere mit Borderline-Typ Persönlichkeitsstörungen  BPS (ebd.).

Laut Definition des ICD-10 Kapitel V. (F) F60.31 und DSM-5 Code 301.83 wird nahegelegt, dass die Betroffenen dieser Symptome, Störungen im Verhalten  und auch  in zwischenmenschlichen Beziehungen aufweisen. Jedoch können psychiatrische und psychoanalytische Methoden unter Einfluss der persönlichen Glaubenshaltung eine große Rolle für den Heilungsprozess spielen (Dilling et al. 2011).

2.3  Überwindung des Verdrängten-Unbewussten

Um Überwindung von Verdrängten Unbewussten zu schaffen, muss eine Therapie angewendet werden.   Bei der Therapie und dem therapeutischen Prozessverlauf besteht die Chance diese Verdrängungen aufzudecken und zu überwinden. Um Heilung zu erlangen ist es wichtig, dass die Betroffenen therapiert werden wollen und eine Heilung, verbunden mit positivem Therapieverlauf für möglich gehalten wird.

Um eine gelungene Psychotherapie zu erzielen, ist die Beziehung zwischen Patient und Therapeut in den Aspekten: Vertrauen, Akzeptanz und Wertschätzung wichtig, um eine Genesung der Symptome möglich zu machen. Im Rahmen des therapeutischen Prozessverlaufs  ist eine tragfähige Beziehung wichtig, die sich positiv  auf die Heilung auswirken kann (Böker 2006).

2.4  Therapie durch  psychiatrische und psychoanalytische Methoden

Psychiatrische und psychoanalytische Methoden  beschäftigen sich mit der Therapie psychischer Störungen. Die Psychiatrie als wesentlicher Teil der ganzheitlichen Medizin stellt einen Entscheidungsfaktor von Diagnose und Medikation nach Bedarf dar. Im Idealfall werden Psychiatrie und Psychoanalyse aufeinander abgestimmt. Für psychiatrische Behandlungsmethoden listet Rüegg (2001) eine Reihe von verschiedenen Therapiemöglichkeiten auf. Darunter medikamentöse Therapien, sowie andere Formen von unterschiedlichen psychiatrischen Methoden in ambulanten und stationären Bereichen, sowie Privatpraxen.

Die psychoanalytischen Behandlungsmethoden umfassen Diagnosen der Erkrankung und deren  Ursachen, wie z.B. verdrängte, unbewusste Traumata, frühkindliche Erlebnisse und die Entwicklung neuer Traumata. Die Entstehung von psychischen Störungen hat im weiteren Leben Einfluss auf die Bildung von Charaktereigenschaften bzw. gestaltet, so Kernberg, die zwischenmenschlichen Beziehungen zueinander (Kernberg 1998).

Die oben genannten psychiatrisch psychoanalytischen Methoden sind im Aufgabenbereich der Diagnosestellung und Behandlung, sowie des Coping anzuführen. Meine vielfältige Berufserfahrung in verschiedenen Spitälern auf psychiatrischen Stationen wie z.B.  im Otto-Wagner-Spital, in der Universitätsklinik AKH Wien, der Kinder-und Jugendpsychiatrie Rosenhügel, der Psychosozialen Ambulanz Favoriten, und  meine Alltagserfahrung in der eigenen Praxis haben gezeigt, dass Patienten, die auf  ihre Glaubenshaltung  vertrauen sich leichter durch die Therapie hindurchführen lassen konnten und  in kurzer Zeit mit der Therapie fertig wurden.

Wer nicht über das notwendige konditionelle Wissen über Krankheiten, deren Entstehung und Behandlungsmöglichkeiten, sowie psychische, soziale und materielle Ressourcen verfügt, ist mit den Herausforderungen im Leben  meist überfordert. Möller et al. 1996 wiesen daher auf die Wichtigkeit professioneller Hilfe hin, denn ohne diese leiden die Betroffenen an ihren Krankheiten weiter und es besteht  die Gefahr, dass diese chronisches Ausmaß erreichen. Die Angehörigen sind dadurch zur Krankheitsanfälligkeit prädestiniert, da sie beruflich und privat kaum mehr belastbar sind. Es folgt der soziale Abstieg (Möller et al. 1996).

ür psychiatrische Behandlungsmethoden gibt es eine Reihe von verschiedenen Therapiemöglichkeiten z.B. medikamentöse Therapien sowie andere Formen von unterschiedlichen psychiatrischen Methoden in ambulanten und stationären Bereichen des Krankenhauses und auch in der Privatpraxis (Rüegg 2001). Zur Bedeutung der Aufdeckung frühkindlicher Verdrängungen durch die Psychoanalyse und im Zusammenhang mit christlicher  Glaubenshaltung  stellt Therapie durch psychiatrische und psychoanalytische Methoden einen neuen Aspekt für zwischenmenschliche Beziehungen

dar.

2.5  Anatomie der Amygdala

Die Amygdala ist ein wichtiger Bestandteil unseres Gehirns. Der Name Amygdala kommt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet Mandelkern/ Corpus Amygdaloideum. Anatomisch gesehen ist die Amygdala Teil des limbischen Systems. Im vorderen Teil des Temporallappens angesiedelt, besteht sie aus zwei ähnlichen Kerngebilden vor dem Hippocampus in der Nähe des Nucleus Caudatus sowie an dem Unterhorn des Seitenventrikels. Die Amygdala lässt sich in drei verschiedene Zonen einteilen:

  1. BasolateralerKomplex
    In ihm befinden sich die drei benachbarten Kerne Nucleus basalis, Nucleus lateralis und Nucleus basolateralis.
  2. Zentromediale Kerngruppe
    Bestehend aus Nucleus centralis und Nucleus medialis (Putz & Pabst 2000)

III. Kortikale Kerngruppe

In ihr befindet sich der Nucleus corticalis. Zahlreiche Nervenfasern verbinden diese Kerngruppen miteinander. Dadurch stehen sie in Wechselwirkung zueinander. Im Weiteren  ist die Amygdala mit Hirnstamm und Zwischenhirn verbunden, wo der Hypothalamus und die Basalganglien liegen (Putz &  Pabst 2000).

Abb.1: Amygdala

Quelle: https://bit.ly/2qnoqHR)https://bit.ly/2qnoqHR

2.6  Physiologie der Amygdala

„Zum Limbischen System („emotionale Intelligenz“) gehören Hippocampus, Amygdala, Gyrus cinguli. Amygdala: darin sind Erinnerungsspuren abgezeichnet, ob Ereignisse oder Situationen für den Organismus angenehm oder schädlich sind.“ (Klußmann & Nickel 2009).

Aus physiologischer Sicht, bei Putz und Pabst, spielt die Amygdala eine Rolle bei menschlichen Emotionen und dem kognitiven  Bewusstsein. Der subkortikale Mandelkern ist Bestandteil des limbischen Systems und gehört zum wichtigsten Zentrum der Wahrnehmung. Neben der Regulierung von Emotionen, bereitet uns die Amygdala außerdem auf Gefahren vor. In diesem Zusammenhang hat die Amygdala eine überlebenswichtige Funktion. Das  instinktive Reaktionsprogramm wird  bei Gefahr  gesteuert und in entsprechenden Handlungen umgesetzt. Die Betroffenen nehmen diesen Vorgang  als Überlebensstrategie wahr.

Ebenso steuert sie Angst über das emotionale Gedächtnis, wobei die Geschwindigkeit bis hin zur Umsetzung in Emotion durch die Amygdala organisiert und ausgeführt wird. Die Hauptaufgabe des Mandelkerns ist  die Produktion und Verarbeitung von Angstzuständen und den damit verbundenen  physischen Reaktionen. Ihre Verantwortung liegt darin den Herzrhythmus bei Gefahrensituationen drastisch zu erhöhen, wodurch die Atmung ins Stocken gerät. Das  motorische System im Gehirn wird durch die Amygdala  ausgelöst. Durch Ausschüttung von  Adrenalin wird der Körper durch Kampf- oder Fluchtverhalten vor drohenden Situationen gewarnt  (Putz &  Pabst 2000).

Amygdala

Abb. 2  https://bit.ly/2v7nYSGDie Physiologie der Amygdala

Quelle https://bit.ly/2v7nYSG)

Die instinktive Steuerung von Angst verläuft durch den präfrontalen Kortex PFC in Zusammenarbeit mit dem pyramidalen und extrapyramidalen System gemeinsam mit der Amygdala. Der Hippocampus als zentrales Gedächtnis der Emotionen spielt ebenso eine wichtige Rolle. Lammers weist darauf hin, dass die Amygdala in der Lage ist, früher verdrängte emotionale Erlebnisse wieder in die Gegenwart, in Form von Erinnerungen, zu rufen (Lammers 2007). Dieser gesamte Prozess spielt bei den Verhaltensweisen zwischenmenschlicher Beziehungen eine große Rolle. Auch kann die Amygdala bestimmte Emotionen, wie Wut oder Angst verstärken, sowie vergangene Situationen, bei erlebten jetzigen Situationen, wiedererkennen. Alle traumatischen Erlebnisse der Kindheit werden durch die Amygdala gespeichert, jedoch für das Bewusstsein unzugänglich gemacht und in der Folge mit schmerzvollen Ereignissen verglichen. Daher werden schließlich physische Zustände durch Reaktion der Neurotransmitter und hormoneller Art ausgelöst.

Frühkindliche Traumata kann die Begegnung mit neuen Kontakten sowie das Kennenlernen neuer Kontakte erschweren: Wir könnten beispielsweise jemanden kennenlernen und ohne, dass wir es merken, entsteht ein ungutes Gefühl dennoch wissen wir nicht woher es kommt. Dies führt zu einer Verurteilung gegenüber dem Menschen, wobei uns nicht bewusst ist, was uns genau an ihm stört. Die Antwort darauf findet sich im Verdrängten-Unbewussten, gespeichert im Hippocampus. Für Lammers könnte dies darauf zurückgeführt werden, dass wir in der Vergangenheit eine negative Erfahrung mit Personen gemacht haben, deren Bild uns an diese Erlebnisse erinnert und das Knüpfen neuer Kontakte dadurch erschwert (Lammers 2007).

Eine Überreizung der Amygdala führt zu Angst- und Panikstörungen. Diese Symptome werden unbewusst wahrgenommen ohne Erinnerung an verdrängte, traumatische Ereignisse. Eine mangelnde Funktionstüchtigkeit der Amygdala hingegen hat mehrere Symptome zur Folge: Autismus, Konzentrationsstörung, Depression, posttraumatische Belastungsstörungen und Narkolepsie. Wenn der Mandelkern durch mangelnde Versorgung, als auch genetisch bedingt, beeinträchtigt wird, haben Betroffene Schwierigkeiten Emotionen in Gesichtern abzulesen. Insbesondere fühlen  die Patienten  keine  Angst  und können sie auch bei anderen nicht erkennen. Wie oben erwähnt wurde, spielt die Amygdala nicht nur bei emotionalen, rationalen Vorgängen eine Rolle, sondern auch bei Intuition und Kommunikation unter den Menschen (Klußmann & Nickel 2009).

Univ.  Prof.  Dr.  Andrawis